Die geraubte Tochter

TochterIn national umstrittenen Grenzregionen, war es seit dem 19. Jahrhundert nicht ungewöhnlich, dass Landesteile als junge Mädchen dargestellt wurden.

Das Bild von den beiden schleswigschen Mädchen wurde so beliebt, dass es damals in fast jeder dänischen Stube hing. Mit ihren Trachten von Föhr und Alsen repräsentierten sie Nord- und Südschleswig, sowie die Ost- und Westküste als Teile Jütlands, also Dänemarks. Die deutsche Postkarte von 1906 zeigt die Landesteile Schleswig und Holstein als eng beisammen stehende junge Frauen vor einer Doppeleiche. Der Wahlspruch „auf ewig ungeteilt” unterstreicht, dass diese Mädchen auch für immer zusammen- und zu Deutschland gehören.

Eine Tochter gehört zu ihrer Mutter und die Abtretung Schleswigs an Preussen nach dem Krieg von 1864 war nach diesem Bild nichts anderes, als der Raub einer Tochter.

Während des Wahlkampfes 1920 und besonders in Zusammenhang mit der Eingliederung Nordschleswigs nach der Abstimmung, wurde dieses Motiv in verschiedener Form aufgegriffen.

Auf diesem dänischen Notgeldschein, der vor den Abstimmungen gedruckt wurde, verkörpern die schleswigschen Kinder die Abstimmungszonen 1 und 2. Beide Mädchen sind auf dem Weg in die Arme von „Mutter Dänemark”, woran sie auch niemand hindern kann und darf, wie die Personen im Hintergrund verdeutlichen sollen. (Der dänische Regierungschef C. Th. Zahle, dem von einigen vorgeworfen wurde, nicht genug für den Anschluss der Abstimmungszonen zu tun, wird vom dänischen König Christian X. zurückgehalten).

Die deutsche Seite nimmt dieselbe Symbolik auf und stellt die beiden Abstimmungszonen auf einem Notgeldschein ebenfalls als die beiden schleswigschen Mädchen dar. Eines der Mädchen (Zone 2) begibt sich vor einer aufgehenden Sonne in die Arme der Mutter, die durch die Farben ihrer Tracht Schleswig-Holstein verkörpert und ein Wappen mit deutschem Reichsadler führt. Das andere Mädchen (Zone 1) macht sich währenddessen weinend auf den Weg über die Grenze in Richtung Dänemark, wo neues Unheil droht, da die wegweisenden Hände bereits nach den Waffen greifen.

Der dänische Poet Henrik Pontoppidan hatte die Vorstel-lung von der geraubten Tochter 1918 als Gedicht formuliert und damit besonders zur Verbreitung der Idee beigetragen. Auf diesem Plakat von 1920 werden die ersten Zeilen illustriert.

„Es klingt wie ein Märchen, eine Sage aus alten Tagen: Eine geraubte Tochter, viel beweint, ist gerettet zurück-gekommen! Heil Dir, Augenstern unserer Mutter, in der Morgenröte der neuen Zeit!”

Fotografisk iscenesættelse af den tabte datters hjemkomst.

Fotografische Inszenierung der Rückkehr der verlorenen Tochter.

Foran den truende tyske ørn kalder „Moder Danmark“ på sine børn.

Vor dem bedrohlichem deutschen Adler ruft „Mutter Dä-nemark“ nach ihren Kindern.